Ein neuer Weg für China
15. Januar 2010 | Freitag, Januar 15, 2010
Labels: In eigener Sache
Wie viele andere weithin bekannte Organisationen sind auch wir immer wieder Cyber-Attacken ausgesetzt. Mitte Dezember haben wir einen gezielten, technisch hochentwickelten Angiff auf unsere Firmen-Infrastruktur festgestellt. Bei dem aus China kommenden Angriff wurde geistiges Eigentum von Google gestohlen. Allerdings wurde kurz darauf deutlich, dass es sich bei dem Angriff nicht nur um einen vereinzelten Sicherheitsvorfall handelte.
Zunächst einmal war Google nicht das einzige Ziel. Bei unserer Untersuchung des Vorfalls stellte sich heraus, dass mindestens zwanzig weitere Großunternehmen aus verschiedenen Branchen, wie z. B. Internet, Finanzen, Technologie, Medien und Chemie, von ähnlich gearteten Angriffen betroffen waren. Diese Unternehmen werden derzeit von uns benachrichtigt. Außerdem arbeiten wir in dieser Angelegenheit mit den verantwortlichen US-Behörden zusammen.
Außerdem liegen uns Beweise vor, die darauf hindeuten, dass der Angriff in erster Linie auf die Google Mail-Konten von chinesischen Menschenrechts-Aktivisten gerichtet war. Nach dem derzeitige Stand unserer Untersuchung haben die Angreifer dieses Ziel nicht erreicht. Offenbar gab es nur einen Zugriff auf zwei Google Mail-Konten. Außerdem konnten sich die Angreifer nur Zugang zu Kontoinformationen wie dem Einrichtungsdatum und zu Betreffzeilen von E-Mails verschaffen, nicht aber zu deren Inhalten.
Im Rahmen unserer Untersuchung, jedoch unabhängig vom Angriff auf Google, haben wir festgestellt, dass es regelmäßig zu unerlaubten Zugriffen auf Google Mail-Konten von Nutzern in den USA, China und Europa gab, die sich für die Menschenrechte in China einsetzen. Diese Konten wurden nicht durch eine Sicherheitsverletzung bei Google gehackt, sondern durch Phishing-E-Mails oder Malware, die auf den Computern dieser Nutzer installiert wurde.
Wir haben die Erkenntnisse aus der Untersuchung dieses Angriffs bereits in Verbesserungen der Infrastruktur und IT-Architektur umgesetzt, die euch und uns künftig noch mehr Sicherheit bieten. Im Interesse eurer eigenen Sicherheit empfehlen wir euch, eure Computer mit seriösen und zuverlässigen Antivirus- und Anti-Spyware-Programmen zu schützen, Sicherheits-Updates für eure Betriebssysteme zu installieren und eure Webbrowser zu aktualisieren. Bitte behandelt Links in Chat-Nachrichten oder E-Mails sowie alle Eingabeaufforderungen für eure persönlichen Informationen wie z. B. Passwörter mit äußerster Vorsicht. Weitere Informationen zu unseren Empfehlungen für eure Sicherheit im Internet findet ihr hier. Weitere Einzelheiten über diese Art von Hackerangriffen findet ihr in diesem Bericht der US-Regierung (PDF), in Nart Villeneuves Blog und in dieser Präsentation über den GhostNet-Spionagevorfall (alle Quellen in englischer Sprache).
Wir haben uns entschlossen, die Informationen über diese Angriffe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, da die Ergebnisse unserer Untersuchung nicht allein für Sicherheits- und Menschenrechtsfragen von Bedeutung sind. Sie sind außerdem ein wichtiger Bestandteil der aktuellen globalen Debatte über das Recht der freien Meinungsäußerung. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Chinas Wirtschaftsreformprogramme und der Unternehmergeist seiner Bürger dafür gesorgt, dass Millionen von Chinesen nicht mehr in Armut leben müssen. Tatsächlich steht China heute im Mittelpunkt vieler wirtschaftlicher Entwicklungen und Fortschritte in der ganzen Welt.
Im Januar 2006 haben wir Google.cn gestartet, um den Menschen in China mehr Zugang zu Informationen zu bieten. Die Vorteile eines offeneren Internets überwogen nach unserer Meinung den Umstand, dass wir dazu der Zensur bestimmter Suchergebnissen zustimmen mussten. Damals haben wir deutlich gemacht, dass wir die Bedingungen in China weiterhin genau beobachten würden, insbesondere im Hinblick auf neue Gesetze und die Einschränkung unserer Services. Falls wir eines Tages zu dem Schluss kommen müssten, dass wir unsere gesteckten Ziele nicht erreichen können, würden wir ohne Zögern unsere Strategie in China überdenken.
Die Angriffe und die groß angelegten Überwachungsaktivitäten, die wir bei unserer Untersuchung aufgedeckt haben, in Verbindung mit den Versuchen, die Meinungs- und Redefreiheit im Internet im Laufe des vergangenen Jahres weiter zu beschränken, haben uns zu der Entscheidung veranlasst, unser Engagement in China neu zu bewerten. Wir haben beschlossen, dass wir nicht länger bereit sind, unsere Suchergebnisse auf Google.cn zu zensieren. In den kommenden Wochen werden wir Gespäche mit der chinesischen Regierung führen, um die Möglichkeit einer unzensierten Suchmaschine unter Maßgabe chinesischer Gesetze zu erörtern. Uns ist bewusst, dass dieser Schritt möglicherweise bedeutet, dass wir Google.cn und unsere Niederlassungen in China schließen müssen.
Die Entscheidung, unser Engagement in China zu überdenken, ist uns sehr schwer gefallen. Wir wissen, dass dieser Entschluss weit reichende Konsequenzen nach sich ziehen kann. Wir möchten in aller Deutlichkeit erklären, dass diese Entscheidung von unserer Geschäftsführung in den USA getroffen wurde. Unsere Mitarbeiter in China waren weder informiert noch an der Entscheidungsfindung beteiligt. Der Erfolg von Google.cn ist vor allem ihrem Einsatz zu verdanken. Wir werden alles tun, um in dieser schwierigen Situation eine verantwortungsvolle Lösung zu finden.
Post von David Drummond, SVP, Corporate Development und Chief Legal Officer